Die Konsequenz des Überlebens

Die Konsequenz des Überlebens
von Lassalin

Die Welt war durch die Augen eines Hexers gesehen, kaum anders als Mensch. Sie war nur etwas grausamer und dunkler. Ich sah alles viel kühler und rationaler. Noch dazu so jung.
Ich war noch ein Kind als ich die Prüfungen über mich ergehen hab lassen. Jedoch war Eskel bis zuletzt der Überzeugung ich würde sterben, da mein Körper zu alt sei für die Mutagene der Hexer. Fast hätte er Recht behalten.

Ich betrachtete meine „Geschenke“ die ich von Vesemir bekam. Die Schwerter waren leicht, sogar das zweihändige Stahlschwert war für meine Hand kein Problem. Ihrem Aussehen nach zu urteilen wurden sie zwar lange gelagert, aber noch nie von der Hand eines Hexers geführt.
Behutsam nahm ich Eins nach dem Anderem in meine Hand und vollführte langsame Schwertstreiche gegen die Luft.
Die Anwesenden Hexer lachten leise darüber und ihre Gesichter erzählten von ihren Erinnerungen, als sie damals die Schwerter bekamen. Ich steckte beide Klingen sorgfältig in die Lederscheiden welche auf meinem Rücken befestigt waren.
Auch die zwei Anderen welche die letzte Prüfung mehr oder minder unbeschadet überstanden haben nahmen ihre Schwerter und Medaillons entgegen und atmeten tief durch.
Sie schienen Beide etwas Unbehagen zu verspüren, oder sie waren einfach nur von den Strapazen der letzten Wochen und Stunden müde. Ich zumindest hatte das Gefühl von einer endlosen Müdigkeit.
Doch bevor ich weiters darüber nachdenken konnte, war auch schon alles schwarz.

In meinen Träumen hörte ich die Stimmen von Vesemir und Eskel. Ich sah Bilder von meinem Leben in Kaer Morhen. Ich sah meine Familie…
Doch all das, verflog wieder als meine Augen sich langsam öffneten und ich mein schon vertrautes Zimmer sah. Ich atmete tief durch und fühlte mich deutlich besser als in dem Kellerlabor vor...wie lange war das her?
Ich betrat den schon mir vertrauten Gemeinschaftssaal, wo wir alle aßen oder aber über unsere Zukunft sprachen. Dort traf ich auf meine, ich nannte sie Mitschüler denn etwas anderes waren sie nicht, welche sofort aufsprangen und zu mir eilten.
„Phönix wie fühlst du dich?“„Eskel meinte du wirst sterben!“
„Wann bist du denn aufgewacht? „Wissen schon die Anderen davon?“
Du meine Güte, trotz der Zeit hier schienen Beide eine hang zur übermäßigen Konversation zu hegen.
„Ich heiße Lassalin, was soll dieses ganze Phönix Gerede, dass ist doch nur ein Scherz von Vesemir.“ Zischte ich langsam wirklich wütend über meinen neuen Spitznamen. „Was stört dich daran? Geralt wird doch auch Wolf genannt.“ „Bin ich der weiße Wolf? Ich bin Lassalin nicht mehr und nicht weniger. Wo sind denn Vesemir und Eskel?“
„Vesemir dürfte im Kellerlabor sein, Eskel ist unterwegs zu einer kleinen Flussinsel und erzählte etwas von Wyvernen.“ „Danke, wir sehen uns später.“
Ich ging gemütlich in das Kellerlabor wo ich tatsächlich auf Vesemir traf. Dieser, als er mich sah, stellte sofort seine Phiolen in einen Ständer und ging lächelnd auf mich zu.
„Lassalin, schön das es euch besser geht, wir dachten schon ihr wacht gar nicht mehr auf.“
„Wie lange war ich denn Ohnmächtig?“ „Zwölf Stunden.“ „Deswegen so ein Aufstand? Die Prüfung der Gräser hat bei mir zwei Wochen gedauert!“ „Phönix ihr müsst verstehen“, ich warf ihm einen eiskalten Blick zu als er wieder diesen Kosenamen aussprach, „ bis jetzt sind jene die nach der dritten Prüfung umgefallen sind, nie wieder aufgestanden.“ „Heißt das ich bin etwas Besonderes?“ ich glaube ich brauche nicht auf den Sarkasmus hinweisen der in meiner Stimme lag. „Absolut nicht. Das bedeutet, dass ihr einfach nur Glück hattet.“
Komischerweise war ich mit dieser Antwort mehr als zufrieden.
„Gut zu wissen. Sagt, wie geht es jetzt weiter?“
„So wie es bei allen kleinen Hexern weitergeht, ihr lernt, lernt, lernt und werdet zu eurem eigenen wohl alles was ihr lernt immer in eurem Kopf behalten!“
„Verstehe, dann bring mir etwas bei!“
Vesemir lächelte und legte einen Arm um meine Schulter, „Dann komm, deine Mitüberlebten wissen schon wie man Tränke zubereitet, ich werde dir schnell die Grundlagen beibringen.“
Den Rest des Tages verbrachten wir in jenem Labor wo ich viel über die Hexertränke lernte, jene welche mir das Leben retten würden und Anderen es nehmen würde, wenn sie Glück hatten.

Die nächsten Wochen waren gefüllt mit Training in der Theorie und der Praxis. Wir stellten einfache Hexertränke her wie „Schwalbe“ oder „Katze“. Bald schaffte Dorian, einer meiner Mitschüler, es „Vollmond“ herzustellen, eine wie Vesemir meinte, ordentliche Leistung für einen Grünschnabel.
Mein anderer Mitschüler Aresius war in jeglichen Bereichen die wir lernten recht passabel. Er hatte kaum Probleme mit der Alchemie, dem Schwertkampf oder den Zeichen.
Die Zeichen konnte ich sehr gut beherrschen. Vor allem das Aard lag mir sehr, wobei Vesemir immer betonte, dass es in meinem Fall egal ist welches Zeichen ich besonders gut beherrschte, denn alle fünf Zeichen entfalteten durch meine Finger geformt eine starke Wirkung.

„Kommt mal her Kinder. Wir werden nun einen kleinen Übungskampf veranstalten. Ihr drei gegen mich.“ verkündete Vesemir und zog sein Stahlschwert. „Ihr dürft eure Tränke verwenden und sollt es auch!“ Wir waren zu Anfang etwas unsicher, was sollten wir Vesemir schon entgegenhalten? Er hatte mehr Erfahrung als wahrscheinlich alle Hexer hier zusammen und so wie er uns die Kampftechniken lehrte, würde es uns nicht wundern wenn er einige davon selbe erfunden hat.
Dorian und Aresius nahmen jeweils einen „Schneesturm“ zu sich, während ich mich nicht zwischen „Schneesturm“ und „Donner“ entscheiden konnte. Aresius deutete auf „Donner“.
„Wir helfen dir dass du nichts abbekommst.“
Eigentlich ein guter Plan. Ich trank „Donner“ und somit meinen ersten Hexertrank. Es war die übliche Prozedur wie bei allen Hexern wenn sie ihre Tränke einnahmen. Unsere Haut wurde blass und unsere Venen traten unheimlich hervor.
„Vergesst nicht Kinder, unsere Tränke sind reinstes Gift, selbst für uns. Wenn ihr zu viele in kurzer Zeit einnehmt, werdet auch ihr als Hexer daran sterben.“
Verdammt wie Recht er hatte! Ich fühlte mich nicht wirklich gesund. Vor meinen Augen sah ich kleine rote Punkte und mir war kotzübel. Zu meiner Überraschung schienen meine zwei Mitschüler überhaupt nichts davon zu spüren.
„Vesemir, ich glaube ich habe etwas bei der Herstellung falsch gemacht.“ keuchte ich sichtlich fertig von dem Trank. Vesemir legte sein Schwert auf den Boden und sah mir tief in die Augen.
„Ab mit euch in das Labor! Eskel wird sich das ansehen.“ befahl er ernst und schickte mich los.
Ich hörte noch wie Vesemir dann noch mit Dorian und Aresius kämpfte. Es ärgerte mich ein wenig, denn ich wollte selber zeigen was ich konnte.
Im Labor war niemand, doch Vesemir meinte ich solle auf Eskel warten. Daher setzte ich mich auf einen der Teppiche die dort lagen und ruhte ein wenig.
Nach einigen Stunden kamen dann auch Eskel und Vesemir. Ich stand auf und lies mich von Eskel untersuchen.
„Wie fühlt ihr euch?“ „Besser, nach der kurzen Ruhe.“ „Dann dürfte der Fall klar sein. Vesemir, ich sagte doch dass er zu alt war. Sein Körper dürfte die Gifte nicht so gut verarbeiten wie es ein junger Körper tut sobald man ihn damit voll pumpt und nach deinen Schilderungen dürfte ein einziger Trank ausreichen um ihn an das Maximum seiner Toleranz zu bringen.“ erklärte Eskel mehr uns Beiden als nur Vesemir. „Ein Hexer der nicht einmal Tränke zu sich nehmen kann ohne dass er aus den Stiefeln fällt.“ „Und wenn schon! Seine Zeichen sind dafür über durschnittlich gut. Ich habe noch nie so ein starkes Aard gesehen, bei so einem jungen Hexer.“ „Das wird kaum reichen wenn er einmal in wirkliche Bedrängnis kommt!“
„Jetzt reicht es aber!“
Eskel und Vesemir starrten überrascht zu mir und warteten was ich zu sagen hatte.
„Was kümmert es dich ob ich eine niedrige Toleranz gegenüber den Tränken habe? Dann muss ich halt besser auf mich aufpassen und meinen Verstand verdammt noch mal gebrauchen! Kein Hexer beherrscht alle unsere Fähigkeiten perfekt, also werde auch ich damit meiner Arbeit nachgehen.“
Vesemir sah vage lächelnd zu Eskel und dieser murrte kurz. „Ich hasse es wenn ein Kind Recht hat.“ „Ich bin sehr stolz auf euch Phönix, ihr beweist schon im so jungen Alter eine Weisheit die Andere erst viel später erhalten.“ „Das ist keine Weisheit, sondern gesunder Menschenverstand!“ „An dem es euch nicht zu mangeln scheint. Kommt, wir haben noch ein kleines Duell offen.“ meinte Vesemir und führte mich wieder in den Burghof.
Dort hielten wir unser kleines Duell, sogar mit ein paar Zuschauern. Eskel, Lambert…sogar Geralt war da. Auch meine Mitschüler sahen uns gespannt zu. Am Ende unterlag ich ohne Vesemir auch nur einmal auch nur ansatzweise getroffen zu haben. Aber die Show war ein Erlebnis, nicht zuletzt deswegen weil unser Duell über zwei Stunden in Anspruch nahm.

In den nächsten Tagen trainierte ich wie besessen den Schwertkampf und meine Fingerfertigkeit um Zeichen schneller zu formen. Ich unterhielt mich auch mit Dorian und Aresius ein wenig und ich kann doch behaupten, dass wir so etwas wie Freunde wurden. Zumindest in Kaer Morhen, denn wir wussten alle, irgendwann werden wir alleine ausziehen um unserem Handwerk nachzugehen.
Mittlerweile habe ich mich auch an meinen Spitznamen gewöhnt, denn ich konnte ihn ja doch nicht loswerden. Außerdem bemerkte ich, dass mich außer Vesemir nur selten jemand in Kaer Morhen so nannte, daher war es mir irgendwann gleich.
So zogen die Tage und Wochen ins Land und unsere Ausbildung trug nun reife Früchte.
Aresius und ich waren oft im Umland von Kaer Morhen um Schöllkraut und Blüten der weißen Myrthe zu sammeln. Wir benötigten diese Zutaten sehr häufig und ich ging gerne ein wenig spatzieren. Nachdem unsere Beutel gefüllt waren und unser Abendessen gesichert, bis heute finde ich Bärenfleisch sehr köstlich, machten wir uns auch schon wieder auf den Weg zurück zur Burg. Doch kurz vor der Dämmerung, als wir bei der Flussfurt ankamen, sichteten wir Rauch.
Keine fünf Minuten vom Flussübergang nach Kaer Morhen entfernt, lagerte eine beachtliche Anzahl von Menschen. Sie richteten alles für ein Lager her, welches wohl länger dort stehen sollte, zumindest bauten sie kleinere Palisaden und richteten genügend Zelte für alle her.
„Aresius, geh und berichte Vesemir davon, ich sehe mir das einmal genauer an.“
„Sollen wir nachkommen?“ „Nein, ich frage einfach mal was sie hier wollen, wenn ich in einer Stunde nicht wieder in Kaer Morhen bin, dann könnt ihr nachkommen.“
Aresius verschwand schnell während ich mich langsam auf den Weg in das Lager machte.
Es war schon lange her, dass ich auf andere Menschen traf. Ich war etwas nervös, aber wirkliche Sorgen bekam ich erst als mein Medaillon leicht zu vibrieren anfing als ich an einem recht bunten Zelt vorbeikam. Magie war hier im Spiel, und Magier waren selten nette Gäste wie Lambert oft meinte.
Offen und laut genug das man mich schon von weitem hören konnte trat ich auf das gerade entzündete Lagerfeuer zu. Die Menschen betrachteten mich mit gemischten Gefühlen, wobei erwähnt werden sollte dass es hauptsächlich feindselige Gefühle waren.
Einer von ihnen, ein Mann in einer prächtigen Uniform, stand auf und kam mir mit hoch erhobenem Haupt entgegen.
„Wer seid ihr, dass ihr es wagt einfach so in das Lager der Gesandten des Königs Algloval zu stürmen?!“ „Lassalin, Hexer.“ antwortete ich sofort und zuckte nicht einmal mit der Wimper dabei.
„Ein verdammtes Wechselbalg also?! Noch da zu so jung, entführt ihr auch schon junge Mädchen damit sie eure Bastardkinder rauspressen?!“
Vesemir hat uns zwar davor gewarnt das wir ab sofort nicht die beliebtesten Gäste bei den Menschen sein werden, aber dass wir so öffentlich verbal angegriffen werden hatte ich auch nicht erwartet.
Ich setzte gerade an zu antworten als eine zwar sehr bestimmte, jedoch auch sehr verführerische Stimme an mein Ohr drang.
„Hauptmann Tilligan, seid bitte nicht so unhöflich. Dieser junge Hexer geht nur seiner Pflicht nach. Er überprüft wer sich die Frechheit nimmt einfach so in der Nähe von Kaer Morhen zu lagern.“
Eine junge Frau kam langsam aus dem Schatten auf uns zu. Ihr Haar war lang und lockig, roch stark nach Flieder und durch die dunkelroten Haare sah sie mehr als exotisch aus.
Sie trug dazu noch passend ein smaragdgrünes Kleid welches ihre Haarfarbe deutlich unterstrich.
Für meinen Geschmack war das Kleid an manchen Stellen einiges zu eng. Aber Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten.
„Ich begrüße euch in meinem Lager. Mein Name ist Meredith Sarones.“ Sie streckte ihre Hand aus mit den Fingern nach unten. Ein Handkuss? Das war selbst für mein Verständnis etwas zu viel für eine höfliche Begrüßung, denn ein Handkuss war schon etwas mehr als nur Respekterweisung.
Aber ich zierte mich nicht und nahm sanft ihre Hand und deutete den Handkuss an eher sie lächelnd fragte: „Werter Lassalin, ich hoffe mein Geleitschutz hat euch nicht gekränkt?“
„Keineswegs.“ „Hervorragend, ich wollte eigentlich einen Boten nach Kaer Morhen schicken, aber wie ich sehe ist die Hexerjugend in diesen Tagen fähiger und aufmerksamer denn je.“
Sie legte ihre Hand auf meine Schulter und mein Medaillon begann wieder zu vibrieren. Glücklicherweise habe ich dieses unter meinem Wams versteckt.
„Wollt ihr nicht mit in mein Zelt kommen? Dort sind wir ungestört und ich kann euch über unseren Aufenthalt aufklären.“ „Ein freundliches Angebot, ich nehme es gerne an.“
Ich wollte das Alles schnell hinter mich bringen, doch wäre es vielleicht klüger gewesen so diplomatisch wie möglich Meredith nach Kaer Morhen zu bringen, zumindest wäre dort Vesemir gewesen.
Ihr Zelt sah von innen aus wie ein Schloss!
Die Zeltwände waren mit feinster Seide verhüllt und die Möbel schienen auch ein kleines Vermögen wert zu sein zu allem Überfluss roch es stark nach Meeresfrüchten und diese waren hierzulande mehr als teuer.
Sie dürfte meine Verwunderung bemerkt haben denn sie lachte amüsiert und legte abermals ihre Hand auf meine Schulter, was wieder ein heftiges Zucken meines Medaillons nach sich zog.
„Sei unbesorgt, alles hier ist nur eine harmlose Illusion, eine meiner Besten wenn ich das sagen darf.“
Sie tat bescheiden, ziemlich schlecht wie ich fand.
„Gut zu wissen. Verzeiht wenn ich zu direkt bin aber ihr wolltet mir etwas erklären.“
„Natürlich, aber wollt ihr es euch nicht bequem machen? Ich bin sicher euer Tag war lang und anstrengend. Ich hätte Wein, oder wie wäre es mit etwas Fruchtsaft?“ kicherte sie schelmisch und hielt sich eine Hand vor ihren Mund.
„Mein Alter ist egal, ich danke euch für die Gastfreundschaft aber langsam wäre es Zeit für eine Erklärung.“ „Natürlich.“ sie setzte sich auf ein Sofa und lies sich zwischen vielen Kissen sinken.
„Ich schätze es wenn ein junger Mann so energisch an die Arbeit geht. Vor allem da man dir sicher beigebracht hat das normalerweise niemand Kaer Morhen besucht.“
Es stimmte zwar, aber lehrte man mir auch lieber öfters den Mund zu halten, da dadurch mehr Fragen beantwortet würden als man brauchte…für mich zumindest.
„Wir sind hier da wir im Auftrag des Königs Algloval einen Hexer rekrutieren sollen. Es gibt viel Arbeit für einen Hexer in seinem Königreich.“
„Daher der Aufwand?“
„Natürlich, der König bestand darauf dass man persönlich nach einem Hexer fragt.“
Mir war das alles irgendwie suspekt, aber ich kannte die Gewohnheiten von Königen nicht und das Letzte was ich brauchte war eine wütende Botschafterin welche zu allem Überfluss auch noch Magierin. „Nun dann solltet ihr mit Vesemir sprechen, er dürfte für solche Anliegen der richtige Ansprechpartner sein.“
„Aber warum Zeit vertrödeln? Ihr seid hier. Ihr kennt mein Anliegen. Wollt ihr euch nicht uns anschließen und euch das Angebot des Königs anhören?“
Ihre Stimme war fast ein Flüstern, ein Flüstern welches sie wie Gift in mein Ohr tropfen lies.
„Dafür habe ich zu wenig Erfahrung, noch dazu ist meine Ausbildung nicht abgeschlossen.“
Das war zwar nicht die ganze Wahrheit, aber besser als ihr zuzustimmen.
„Aber ihr habt bereits euer Medaillon erhalten. Ist das nicht das Zeichen eines vollwertigen Hexers?“ ihre Stimme war zuckersüß. Das bereitete mir mehr Unbehagen als die Tatsache, dass sie mein Medaillon bemerkt hat.
„Woher wisst ihr das alles wenn ich fragen darf? Ihr scheint schon oft mit Hexern zu tun gehabt.“ „Ja das ein oder andere Mal.“ meinte sie leicht gähnend und strich sich ein paar Locken aus ihrem Gesicht, was einen guten Einblick in ihren Ausschnitt ermöglichte, und dieser war beachtlich.
Mein Blick war aber weiterhin auf ihr Gesicht gerichtet. Das hatte nichts mit Disziplin zu tun, ich war einfach zu jung um mich wirklich für so etwas zu interessieren.
„Also mein junger Hexer, wie sieht deine Antwort aus?“ fragte sie dann schließlich.
„Verzeiht, ich kann dieses Angebot nicht annehmen.“ Ich beließ es dabei, keine großen Erklärungen und keine Ausreden, entweder sie nahm es hin oder nicht.
„Das ist sehr schade, aber ich freue mich dass ihr trotzdem euch die Mühe gemacht habt und hier her kamt.“ Sie stand auf und füllte sich etwas Wein in einen Goldpokal.
„Wollt ihr auch einen Schluck?“ „Ich dachte Fruchtsaft wäre besser?“ „Verzeiht mir diesen kleinen Scherz, ich wollte euch damit nicht beleidigen.“ Sie wirkte plötzlich sehr verlegen und sah kurz zu Boden. Um ihre Höflichkeit nicht gänzlich mit Gleichgültigkeit zu vergelten, nahm ich ihr den Pokal aus der Hand und setzte ihn vorsichtig an meine Lippen. Doch den Wein trank ich nicht, ich benetzte meine Lippen aber einen Schluck trank ich nicht.
Als ich den Pokal wieder absetzte leckte ich demonstrativ den Rest des Weines von meinen Lippen. „Schmeckt gut, ich danke euch.“ Sie nahm den Pokal aus meiner Hand und kam mit ihrem Gesicht, für meinen Geschmack, viel zu nah an meines. Ihre Stimme war nur noch ein Hauch welchen sie in mein Ohr blies. „Wollt ihr nicht doch noch etwas bleiben? Erfreuen wir uns an ein paar Geschichten eines jungen Hexers, der gerade erst sein neues Leben kennen lernt.“
Jetzt fühlte ich mich absolut nicht mehr wohl. Meine Gedanken überschlugen sich und zum ersten Mal seit meiner letzten Prüfung, spürte ich wieder ein Gefühl von Wärme. Jedoch im falschem Körperteil. „Nun…gerne…“ brachte ich nervös heraus. Irgendwie fühlte ich mich mit jeder Minute etwas freier und lockerer. Auch Meredith schien dass zu bemerken und kam mir immer näher. Sie war kaum größer als ich, doch konnte ich gut in ihre dunkelbraunen Augen blicken. Sie legte vorsichtig ihren Arm um meine Hüfte und sah ab und an, an mir herunter. Ein leichtes Grinsen zeichnete ihr Gesicht und sie drückte mich sanft, aber dennoch bestimmt Richtung Sofa.
Kaum als ich mit dem Rücken zu dem Sofa stand stieß sie mich wild von sich. Überrascht davon landete ich auf dem Sofa und sah sie lächelnd an. Doch irgendwie, war sie verschwommen. Mein Blick trübte sich und es drehte sich alles ein wenig.
„Mir ist schwindlig.“ Murmelte ich leise und hielt kurz meinen Kopf und atmete tief durch.
„Keine Sorge, mir geht es ähnlich.“ hauchte sie und strich sich über ihr Kleid.
Ich schloss kurz meine Augen und atmete weiter tief durch um mich etwas zu sammeln. Langsam fühlte ich mich auch besser, obwohl mein Körper zu beben anfing. Ich lächelte zufrieden und genoss es diese Art von Gefühlen kennen zu lernen.
Doch kaum verflog mein Schwindelgefühl, erkannte ich weshalb mein Körper so bebte.
Mein Medaillon vibrierte stärker als jemals zuvor!
Ich riss meine Augen auf und verengte meine Pupillen zu Schlitzen um besser zu sehen.
Eine Messerklinge, sie blitzte nur kurz auf eher sie ihren Weg in meine Richtung begann. Doch weit kam sie nicht.
Vesemir hat oft genug erwähnt das ich die Zeichen sehr gut beherrsche, und Meredith musste dies nun auf die unangenehme Art erfahren.
Das Aard verfehlte seine Wirkung nicht. Die Klinge flog in hohen Bogen in eine Ecke des Zeltes, ebenso Meredith, sie hob zwar nur leicht ab, aber sie landete auf ihren Arsch also war die Wirkung zufrieden stellend. Diese hat jedoch einen hasserfüllten Blick auf mich gerichtet, jedoch mit einer Spur von Ratlosigkeit. Kein Wunder dass sie keinen Schluck von dem Wein zu sich nahm, wer weis was passiert wäre wenn ich das getan hätte. Allein die paar Tropfen von meinen Lippen haben schon dafür gesorgt dass ich mich nicht wohl fühlte und vor allem unaufmerksam wurde.
Ich stand geschwind auf, was aber wieder zu einem kleinen Schwindelanfall führte. Ich zog, zwar sehr unelegant aber doch, mein Stahlschwert und nahm eine Angriffshaltung ein.
Meredith hat aber inzwischen einen neuen Zauber vorbereitet, was mir mein Medaillon auch ankündigte. Mit einem kräftigen Satz sprang ich hinter das Sofa. Nur die Götter wissen was sie da auf mich richten wollte, aber es roch ziemlich verbrannt auf einmal.
Feuer konnte ich ihr aber auch bieten.
Als ich hinter dem Sofa hervor kam formte ich Igni. Meredith vollbrachte einen Schutzzauber, aber der wäre unnötig gewesen, ich habe nicht auf sie gezielt.
Die Zeltwand begann lichterloh zu brennen, was von Meredith mit einem wütenden Schrei beantwortet wurde.
Ich jedoch atmete tief durch, das Anwenden von mehreren Zeichen war anstrengend. Vor allem nach dem letzten Zeichen das ich geformt habe. Aber entweder griff ich jetzt an oder nie! Mit dem Schwert in den Händen sprang ich auf Meredith zu. Mir war bewusst, dass ich sie aus der Entfernung nicht treffen konnte, aber sie war sich nicht sicher weshalb sie ein paar Schritte zurückging.
Aber ich wollte sie auch nicht treffen.
Die eigentliche Taktik ging hervorragend auf. Meredith schrie vor Schmerzen als sich ein kleiner Spieß durch ihren Fuß bohrte. Auf den Boden unter dem sie nun stand, formte ich das Zeichen Yrden kurz bevor ich zum Sprung ansetzte.
Doch eher sie realisieren konnte was passiert war, war ich auch schon aus ihrem Zelt.
In der Hoffnung schnell die Flucht zu ergreifen sah ich mich um, und musste feststellen dass hier gerade die Hölle ausgebrochen ist.
Das Feuer wurde natürlich sofort bemerkt und die Männer haben sich alle bewaffnet. Kaum als ich das Zelt verlies umkreisten sie mich und drängten mich nach hinten.
„Tötet den Mutanten!“ „Reißt ihm die Eingeweide raus!“ Schreie einer wütenden Menge, ich werde sie noch oft hören, aber jetzt war das egal.
Besorgt sah ich mir die Menge an und musste feststellen, dass eine Flucht, sich als äußerst riskant erweisen würde. Noch dazu war ich erschöpft. Drei Zeichen waren für einen Anfänger doch zu viel.

Zu meinem Glück rannten sie nicht alle Gleichzeitig auf mich zu. Ein mutiger Schwachkopf begann mit dem Angriff während seine Kameraden zusahen. Sie unterschätzten mich, natürlich, ich war ein Kind. Der Mut verschwand plötzlich aus seinem als ich einen geschickten Rückhandschlag vollführte und somit sein rechter Unterarm zu seinen Füßen lag. Seine Kameraden reagierten prompt. Sie setzten alle gleichzeitig an mich nieder zu rennen.
Klingen blitzten auf. Blut spritzte. Schreie hallten durch die Wälder.
Die Hexer waren hier!

Es ging alles sehr schnell. Man sah nur Silhouetten von ihnen eher sie mit gezogenen Klingen in die Reihen der Männer einfielen. Ich sah Eskel, Vesemir und sogar Dorian und Aresius. Es sah aus wie ein Tanz. Ein Tanz der bald zu Ende sein sollte.
Wer weis wie lange es gedauert hat, Fakt ist, dass keiner der Männer überlebte und abgesehen von ein paar Wunden auf unserer Seite, war alles in Ordnung. Dorians Arm blutete und Lambert bekam einen Ellenbogen in sein Gesicht. Nichts was weiter erwähnenswert war.
Vesemir kam mit gezogenem Schwert in meine Richtung.
„Phönix! Ist alles in Ordnung?“ Ich nickte nur, diese ganze Situation war etwas zu viel für mich.
„Wo ist Meredith?!“ Ich sah ihn verwirrt an und keuchte etwas als hinter uns das Zelt weiter abbrannte. „Ihr kennt sie?“ „Eine Magierin welche auf unsere Mutagene aus ist. Nichts will sie lieber als unsere Geheimnisse für den Höchstbieter bereit zu stellen.“ Er lies kurz ab von mir und versuche einen Blick in das Zelt zu werfen, was aber durch die Flammen unmöglich wurde.
„Sie dürfte in den Flammen verendet sein.“
„Pah!“ Vesemir spuckte auf den Boden. „Das wäre zu schön, sie wird mit ihrer letzten Kraft ein Portal erschaffen haben um sich in Sicherheit zu bringen. Wäre auch nicht das erste Mal.“
Ich ging langsam zu meinen Freunden und erkundigte mich nach ihrem Befinden. Mal abgesehen davon dass sie zum ersten Mal Menschen töteten schien es ihnen gut zu gehen. Ich verstand sie gut. Mir ging es nicht anders an jenem Abend als wir drei erkannt haben zu was wir nun fähig waren.

Vesemir brachte uns alle wieder nach Kaer Morhen wo unsere Wunden versorgt wurden und ich erzählte was passiert ist.
Eskel lachte etwas und klopfte auf meine Schulter, „Und wieder aus den Flammen gekommen. Ein wahrer Phönix seid ihr. Außerdem habt ihr Einfallsreichtum bewiesen, das war gute Arbeit!“
„Wer ist diese Frau eigentlich? Ist sie nur hinter den Mutagenen her? Ich dachte Magier verdienen so oder so genügend Geld.“
„Nun, Meredith Sarones wird von einem Grund angetrieben der Älter ist als die Gier. Sie hasst uns Hexer schlicht und einfach. Nichts würde sie lieber sehen als eine Welt befreit von allen Mutanten und Anderlingen die es zu finden gibt.“
„Deshalb so ein Aufwand?“ „Aufwand? Sie hat doch nur ein paar Söldner angeheuert und vorgegeben eine Botin von König Algloval zu sein. Wir als Hexer haben trotz all unserer Fähigkeiten und unserer Berufung die Gesetze zu achten und di Würdenträger zu respektieren, auch wenn der Respekt etwas vorgegaukelt ist.“
Irgendwie ergab das alles einen schlichten Sinn. Junge Hexer kann man noch leicht zum Narren halten. Ältere sollten besser getäuscht werden, oder gleich getötet.
„Vesemir warum sind wir so unbeliebt? Du hast es schon einmal erklärt aber es ist irgendwie…unverständlich.“
„Phönix…der einzige Grund weshalb man euch hasst, ist der, dass ihr einfach anders seid. Ihr habt hier überlebt, das ist Grund genug.“

Darauf lief es eigentlich hinaus…
Den Menschen war es egal was man war, Anderling, Mutant oder Monster. Das Einzige was wir falsch machen ist die Tatsache dass wir in dieser Welt, die die Menschen gerne als ihr Eigentum betrachten, überleben und unser Dasein fristen.

Es war eine wichtige Lektion die mich mein ganzes Leben noch begleiten wird. Aber als Trost habe ich eine neue Freundin gefunden, welche mich sicher bald wieder besuchen wird. Denn vergessen wird sie mich sicher nicht. Nicht nach dem netten Abend in ihrem Zelt.

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Anm. d. Red.: Ihr möchtet gern noch einmal das Intro zum Schwarzen Phönix lesen, dann hier entlang: "Der Phönix erwacht".
Lassalin freut sich sicher auch über euer » Feedback.


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