Über Höhen und Tiefen der Witcher-Veröffentlichung und zukünftige Pläne

Auf The Witcher.com gibt Michał Kiciński, Generaldirektor und Mitbegründer von CD Projekt am 8.11.2007 ein ausführliches Interview:

"Über Höhen und Tiefen der Witcher-Veröffentlichung und zukünftige Pläne"


Das Witcher-Release haben wir nun hinter uns. Das Spiel erhielt einige sehr gute Reviews von Seiten der Spieler und gute Kritik in den Medien rund um die Welt. Dies ist nun das Ende jahrelanger, harter Arbeit...bist du erleichtert?
Kiciński: Sicher. Auch wenn ich nicht sagen kann, dass der Druck komplett verschwunden ist, denn wir warten nach wie vor auf die Ergebnisse der weltweiten Verkäufe. Es ist offensichtlich, dass das Spiel einen recht erfolgreichen Start hingelegt hat - in England erreichte es direkt den fünften Platz auf den Bestsellerlisten und in vielen Online-Geschäften findet man es irgendwo zwischen dem 4. und 8. Platz.
Ich war ziemlich überrascht, als ich Amazon.com aufrief und dort auf einmal den Witcher auf der Startseite sah - es ist ein großartiges Gefühl.
Zusammenfassend denke ich, dass die Veröffentlichung des Witchers relativ erfolgreich verlief, wenn man bedenkt, dass es sich um das Erstlingswerk eines neuen Entwicklers handelt.
Wir sind neugierig, wie sich das auf die Verkäufe auswirken wird.

Klar, die Verkäufe werden nicht schlecht sein. Die Frage ist jedoch, wie erfolgreich das Spiel sein wird. Zum jetzigen Zeitpunkt haben wir eher Stichproben über die Verkaufszahlen und keine vollständigen Information. Für Polen, Russland und den skandinavischen Ländern mussten wir bereits Exemplare nachproduzieren, weil wir nicht genug hatten für den Erstverkauf.

Natürlich ist es toll zu sehen, wenn The Witcher den ersten Platz der Verkaufscharts erreicht. Dennoch sollten wir realistisch sein. Wir stehen im Wettbewerb mit den größten Unternehmen dieses Genres – Firmen, die von etablierten Marken mit massig an Erfahrung unterstützt werden.


Das Erstlingswerk des Spiels war ein ordentlicher Erfolg. Trotzdem verschwinden viele Spiele schnell aus den Charts. Befürchtet ihr, The Witcher könnte das gleiche Schicksal teilen?
Kiciński: Ich glaube, The Witcher hat eine Reihe von verborgenen Vorteilen, die zu einer Langlebigkeit in den Charts verhelfen werden. Erstens: das Spiel wächst mit dir. Je länger man es spielt, desto mehr wirst du es mögen. Und es scheint so, als ob viele Spieler The Witcher ihren Freunden weiter empfehlen. Da sind die Chancen gut, dass durch die Mund-zu-Mund-Propaganda die Popularität des Spieles fördert wird.
Abgesehen davon kümmern wir uns um unser Produkt als wäre es unser eigenes Kind. Patch 1.1. (in zwei Versionen) ist bereits veröffentlicht und es wird nicht der letzte sein, den wir nach Veröffentlichung bieten werden im Hinblick des Supports. Wir tun unser Bestes, unser Werk auch viele Monate nach Release zu verbessern.

Wir sind uns darüber im Klaren, dass The Witcher einige technische Mängel hat. Unglücklicherweise ist unser Stand und unsere Erfahrung als Entwickler nicht mit dem von Blizzard z.B. zu vergleichen, so dass wir mal eben die Veröffentlichung verschieben können bis wir 110%ig zufrieden sind. Das ist jedoch unser Ziel, das wir erreichen wollen.
Doch das Gute daran ist, dass sich das alles bereits ändern. Wir lernen dazu. Wir planen besser und schätzen Risiken besser ein. Das alles trägt dazu bei, unsere zukünftigen Produkte besser zu planen, so dass wir dann genügend Zeit für Verbesserungen haben.
Man mag es The Witcher nicht ansehen können, aber wir wollen unter allen Umständen Professionalität erreichen, zumal wir unseren eigenen Maßstab recht hoch ansetzen. Wir arbeiten eifrigst daran, Updates für The Witcher zu entwickeln. Das Spiel erhält intensiven und vor allem langen Support durch unser Team. Mit anderen Worten: es wird so lange Patches regnen in The Witcher bis es nichts mehr zu verbessern gibt.

Um auf die Frage zurückzukommen: Wir haben vor, ein Toolset und eine Demo zu veröffentlichen. Und was noch viel wichtiger ist, mit der Veröffentlichung des Toolsets (oder kurz danach) werden wir den Spielern neue Abenteuer anbieten, die mit diesem Toolset entwickelt sind. Im Moment arbeiten wir bereits an einem neuen Abenteuer, das für jeden frei erhältlich sein wird, der sein Spiel registriert hat. Ich denke – ich hoffe – dass unser nachträglicher Support viel dazu beitragen wird, dass The Witcher für lange Zeit sehr beliebt sein wird.


Noch mal zurück zur Veröffentlichung, was hat euch da besonders gefallen?
Kiciński: Zunächst einmal freut es mich sehr, dass das Spiel so wunderbar bei den Spielern angekommen ist – und das nicht nur in Polen, sondern weltweit. Du kannst eine Vorstellung von dem bekommen, was ich meine, wenn man die Reaktionen der Fans auf den großen Portalen wie GameSpot ansieht. Dort haben die Leser dem Spiel eine durchschnittliche Wertung von 9/10 gegeben. Ebenso wie auf IGN, wo über 100 Leser eine 9,4 Wertung gaben. Oder Metacritic, dort bekam The Witcher den fantastischen Durchschnitt von 9,7! Meiner Meinung nach sind das absolut krasse Ergebnisse!
Solche Höchstwertungen von den Lesern sind die schönsten Auszeichnungen für uns. Ich denke, jeder aus dem RED Team ist begeistert darüber, wenn er solche Reviews und Meinungen der Leser in den Foren ließt. Das ist etwas, worauf man stolz sein kann. Selbst bei RPG Codex, die als sehr kritisch in der Rollenspielszene gelten, hat das Spiel höchst positive Meinungen erhalten.


Die Reviews der Spieler sind tatsächlich sehr optimistisch. Trotz der überwiegend hohen Bewertung in den Medien, gibt es doch eine größere Abweichung bei deren Bewertungen. Metacritic gibt zum Beispiel 81%.
Kiciński: The Witcher zu bewerten ist keine leichte Aufgabe für einen Reviewer. Das Gameplay saugt den Spieler praktisch auf, so dass es ihm schwer fällt, sich davon wieder loszureißen. Viele Leute haben das Spiel mit großen Klassikern wie Baldurs Gate oder Planescape: Torment verglichen. Wir haben es nicht geschafft, einige Mängel zu verhindern. Das hat die Bewertungen natürlich etwas nach unten gedrückt. Obwohl wir viel Mühe und Herzblut in das Spiel investiert haben, ist es nicht perfekt. Gibt es überhaupt perfekte Spiele? Und selbst wenn nicht, lohnt es sich alle Mal, dieses Ziel zu erreichen. Und in genau diese Richtung gehen wir.

Die Bewertung durch den Reviewer hängt immer davon ab, wo er Prioritäten setzt. Jene, die das Gameplay für wichtig halten und davon hingerissen sind, geben uns für gewöhnlich eine hohe Bewertung. Andere halten die technischen Mängel für gravierend und beeinflussen damit ihre schlechter ausfallende Bewertung.
IGN ist ein gutes Beispiel. Der Reviewer gab eine 85% Wertung und begründete das durch die technischen Mängel. Zur gleichen Zeit bekam The Witcher die (IGN) "Editors Choice" Auszeichnung, welche sich auf das Spiel an sich bezieht.


Möchtest du uns in jene Dinge einweihen, mit dem ihr nicht zufrieden seid?
Kiciński: Ich bin wahrscheinlich nicht die geeignete Person, um so eine Frage zu beantworten. Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich nur schwer zufrieden zu stellen bin und mir erst dann etwas gefällt, wenn es perfekt ist. Und mir ist klar, dass unser Werk nicht perfekt ist, aber wir haben die Möglichkeit, es zu verbessern.

Vorweg möchte ich erwähnen, dass ich mit der Arbeit von RED sehr zufrieden bin. Die Einsatzbereitschaft und Professionalität der Entwickler ist vorbildlich. Das Spiel zur selben Zeit in zehn Sprachen zu veröffentlichen und dabei noch in jeder Version auf Qualität zu achten, war keine leichte Aufgabe. Und wir sollten nicht vergessen, dass The Witcher unser Erstlingswerk ist. Trotz dieser Umstände, ist diese schwierige Aufgabe vom Team gut bewältigt worden.

Ich bin eigentlich sehr mit dem Stand zufrieden, so wie das Spiel jetzt herausgeputzt wurde. Obwohl wir mit dem Spiel nicht rechtzeitig fertig wurden und zum Release einen Zero-Day Patch veröffentlichen mussten, gibt es nicht mehr so viele Probleme im Spiel zu beheben, wenn man den gewaltigen Umfang des Spiels berücksichtigt sowie die Tatsache, dass es uns an Erfahrung mangelte. Ich habe viele Spiele gespielt von erfahrenen Entwicklerstudios, die in dieser Hinsicht schlechter waren als The Witcher.
Bugs sollten komplett aus dem Spiel verschwinden und ich bin zuversichtlich, dass wir bei unseren nächsten Spielen näher an dieses Ziel kommen werden.

Wenn wir das Spiel an sich betrachten, finde ich nicht viel, worüber ich mich beklagen muss. Ich habe The Witcher mehrere Tage gespielt und es ist mir sehr schwer gefallen, wieder aufzuhören. Ich habe es vermieden, die Alpha und Beta Versionen zu spielen, um mir die Vorfreude beim Release nicht zu verderben. Natürlich kenne ich den Schluss, aber der Plot wurde vor langer Zeit so viele Male besprochen, dass ich mich nicht mehr an die Details erinnern kann und ich nicht weiß, wie sie im Einzelnen ins Spiel eingebracht wurden.

Ich bin eigentlich mehr für die Organisation rund um die Veröffentlichung des Spiels verantwortlich und dafür zuständig, dass da keine Pannen passieren. Ich möchte jetzt nicht den Vertrieb im Ausland kritisieren, sondern mich nur auf den inländischen Markt beziehen.
Als erstes möchte ich mich sehr für die Unannehmlichkeiten entschuldigen, die beim Versand der polnischen Limited Edition entstanden sind. Eine Reihe von Organisations- und Kommunikationsproblemen sind da zusammen gekommen. Es ist mir sehr peinlich, dass wir nicht rechtzeitig genug der Extras produziert hatten. Was soll ich sagen? Das ist eine Schande und ein Versagen, für das ich mich bei jedem Witcher Fan GANZ AUSDRÜCKLICH entschuldigen möchte.

Es gibt da noch weitere Unzulänglichkeiten, große und kleine, aber alles in allem lohnt es sich nicht, die hier einzeln aufzuführen. The Witcher ist unser erstes großes Projekt und da ist es nicht ausgeschlossen, dass alles so abläuft, wie wir es uns vorstellten. Wir sind dabei, das Beste daraus zu machen, zu analysieren, was schief lief, was uns letztendlich helfen wird, es in der Zukunft bei weiteren Produkten zu vermeiden und besser zu machen, ebenso im Hinblick auf den zukünftigen Support für The Witcher.


Lass uns auf etwas weniger Unangenehmes zurückkommen. Welche Pläne habt ihr für die Zukunft? Du hast bereits erkennen lassen, dass es Pläne für ein Toolset und eine Demo gibt. Gibt es darüber hinaus noch mehr, vielleicht was zukünftige Projekte angeht?
Kiciński: Viele Leute fragen uns nach unseren zukünftigen Plänen. Wir sind zurzeit noch sehr mit The Witcher eingedeckt. Das Toolset werden wir so entwickeln, dass jeder Spieler damit umgehen kann nicht nur Profis. Sicher ist es eine schwierige Aufgabe, die eigenen Abenteuer zu erschaffen, aber ich glaube, dass die meisten dieser Herausforderung gewachsen sein werden, zumal das Ergebnis letztendlich beeindruckend sein wird.

Außerdem arbeiten wir an einer Demo, die wir vor Veröffentlichung nicht mehr fertig stellen konnten. Eigentlich ist es keine leichte Aufgabe, zu einem RPG eine Demo zu erstellen. Wir wollen sicher gehen, dass die Demo das Kampfsystem gut darstellt und außerdem einen Vorgeschmack auf die Rollenspiel-Elemente gibt, die The Witcher aus anderen ARPGs hervorhebt.

Wie bereits erwähnt, sobald das Toolset erschienen ist, planen wir, das erste weitere Abenteuer zu veröffentlichen, das von uns mit der Endversion des Toolsets entwickelt worden ist. Daran wird man erkennen, welche Möglichkeiten in dem Toolset stecken.

Selbstverständlich sammeln wir Meinungen und Kommentare der Spieler und bereiten den nächsten Patch vor. Wie ich bereits sagte, sind uns kontinuierliche Verbesserungen sehr wichtig, an denen wir so lange arbeiten bis es nichts mehr zu tun gibt.

Im Grunde ist es noch zu früh, um über Zukunftsprojekte zu reden. Wir sehen, dass es dieses Jahr noch eine Menge Arbeit vor uns liegt. Ein großer Teil unseres Teams ist erst einmal in den wohl verdienten Urlaub gegangen.


Möchtest du abschließend dem Interview noch etwas hinzufügen?
Kiciński: Ich möchte den Fans für die vielen netten Worte und Gratulationen danken, die wir bei unzähligen Anlässen erhalten haben. Ich möchte allen danken, die The Witcher gekauft haben und uns somit unterstützen.
The Witcher ist unser Debüt. Ich verspreche, dass wir uns nicht auf unseren Lorbeeren ausruhen werden. Ich glaube, The Witcher ist erst der Anfang von erstklassigen Spielen, die es von CD Projekt noch geben wird. Spiele, die eine Seele haben und mit Leidenschaft entwickelt werden. Spiele, die nicht nur das das Ergebnis einer Marktanalyse und eines Marketingbudgets sind.


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