Andrzej Sapkowski: Die Dame vom See
Die Dame vom See
Schon lange hatte ich mich nicht mehr so auf ein Buch gefreut, und als es dann kam, konnte ich es direkt in die Kategorie der Studiums-gefährdenden Schriften einordnen:
Trotz nahem Abgabetermin einer Hausarbeit musste ich mich erst um "Die Dame vom See" kümmern.
Es beginnt sacht und langsam, Ritter Galahad beobachtet ein Mädchen beim Baden. Und selbst als sie zu ihm spricht, fragt er sich noch, ob sie ein Mensch ist, denn sie ist schön, doch scheint nicht aus der Welt zu stammen, die er kennt.
So beginnt ein neues Kapitel in Ciris Leben, und wir wundern uns kein bisschen, als sie Galahad ihr Schwert nicht gibt, was ihn erstaunt. Als sie gleich mit viel Genuss erst mal seinen Proviant dezimiert, kommen die beiden sich ein bisschen näher und Ciri erzählt ihre Geschichte...
Aber Moment - noch wird nicht das Geheimnis gelüftet, wie es ihr oder Geralt oder Yennefer weiter ergangen ist. Die rätselhafte Dame vom See empfängt eine Adeptin, und wie schon öfter entwickelt sich die Handlung nicht zeitlich linear, sondern wie von einem verborgenen Schicksalsfaden gezogen. Die Dialoge helfen die Ungeduld bezähmen...
"Ich bin ein wenig altmodisch", fuhr sie fort. "Aber ich bin es gewohnt, bestimmte Dinge zu meiner ausschließlichen Verfügung zu haben. Sagen wir, die Zahnbürste. Die privaten Zimmer, die Privatbibliothek, die Toilette. Und den Fischerkönig. Versuch bitte nicht, über den Fischerkönig zu verfügen."
Nun, die da spricht ist Forscherin, und erforscht wird die Geschichte Geralts von Riva. Wir treffen ihn noch, obwohl es noch dauert, denn erst treffen wir Emhyr, den Kaiser von Nilfgard, der die unechte Cirilla begutachtet, die man auf einem Landsitz verborgen hat, um ihr ein bisschen Schliff zu verpassen... doch der Kaiser ist nicht überzeugt, und die Handlung springt weiter...
Die Chronistin wendet sich Toussaint zu und wir erinnern uns... Rittersporn reiste Geralt dorthin voraus, als Geralt die Druiden nach Ciri fragen wollte...
Schauen wir uns also um in Toussaint. Rittersporn gefällt sich in der Rolle des Favouriten der Fürstin, ein besonderes Fest steht bevor und diplomatische Verwicklungen drohen, als Milva sich weigert, ein Kleid anzuziehen. Andere Damen ziehen ihre Kleider aus und präsentieren sich in seidenen Hemdchen, aber wen von uns wundert das, wenn Geralt in der Nähe ist? Selbst Regis hat eine interessante Abendbeschäftigung gefunden und trägt jetzt Samt.
War da noch was? Werden wir ungeduldig? Unerklärliches Toussaint, aber alle scheinen zufrieden, Geralt wird reich beim Monster töten, das böse Knie heilt, nicht ganz von selbst, und der Winter geht ins Land. Die fahrenden Ritter schwören beim Reiher die merkwürdigsten Dinge und mit einem Mal ist Geralts Hanse wieder auf der Landstraße, die Satteltaschen voll Proviant aus den Kellern der Fürstin, die Kapuzen voll Schnee und ein Ziel vor Augen.
Die Loge der Zauberinnen intrigiert, nicht immer erfolgreich.
Und dann erfahren wir, was Ciri passiert ist, im Schwalbenturm, beim Treffen mit den Erlenelfen. Nein, die sind nicht nett. Toruviel im Blumental war vergleichsweise freundlich dagegen. Sie sind alt, arrogant, intrigieren. Gleich drei Elfenmachos wetteifern darin, Ciri einzuschüchtern, und die Situation wird nicht besser dadurch, dass sie das magisch gesicherte Elfenland nicht verlassen kann. Zum Wendepunkt kommt es erst, als sie einen alten Freund aus der Wüste wiedertrifft, aber kurz danach ist sie auf der Flucht durch Zeiten und Dimensionen, trifft auf das Schicksalsschiff "Catriona" und den Großvater mit der immer gefüllten Fleischkammer.
Wir begleiten ein paar Menschen, die Ciris und Geralts Leben gekreuzt haben, durch die Schlacht von Brenna.
Jarre, Dennis Cranmer, Coen, Shani, Iola die Zweite, Zoltan Chivay... sie alle werden geplagt, geprüft, verändert, in Brenna, der großen Schlacht, die ihr Zeitalter veränderte. Wir lernen, wie der Spruch zustande kam: "näh´ rot an rot..." Diese Schlacht allein ist das Buch wert. Sapkowski hätte diesen grandiosen Teil einzeln veröffentlichen können. Am Ende waschen die Flüsse die Leichen fort und die Sonne geht wider Erwarten doch wieder auf...
Geralt weiß nun, wo Yennefer ist, und dass sie nicht freiwillig bei seiner Ortung geholfen hat. Ciri findet gleichzeitig den Weg zu Vilgefortz´ Feste, und das große Hauen und Stechen beginnt. Haben wir erwartet, dass die Freunde nach glorreichen Taten gemeinsam ein Gläschen Wein heben würden auf dem Heimweg in Toussaint? Eine solche Feier wird es nicht geben.
Zu grausam ist Bonhart, ein zu großartiger Meister der arkanen Künste der Magierintrigant von Thannedd selber... es hätte nicht viel gefehlt und alles hätte geendet, dort, über der steinigen Ebene mit den toten Schiffen. Nur äußerst knapp und im letzten Moment rettet Geralt - genau genommen vor allem sich selbst, aber dann doch auch die beiden Menschen, die ihm am meisten bedeuten. Und dann... es hat mich an mein echtes Leben erinnert. Dass es nicht immer so einfach ist, Kinder in ein glückliches Leben zu begleiten, die nicht mit einem verwandt sind. Dass dann oft einer kommt, der geben sollte, aber nimmt. Oder: die Geschichte von einem, dem nichts heilig ist.
Und plötzlich beschließt der Autor, ein Märchen zu schreiben. Das Grauenhafte wird abgewendet, fast magisch, durch die Liebe. "Und sie lebten glücklich, bis an ihr Ende." Nun, Sapkowski wäre ein anderer, wenn alles so einfach wäre.
Die Magierinnen mischen sich wieder in Leben und Dynastien ein, Geralt und Yen trennen sich trotz erneuertem Glück ein letztes Mal, und Geralt feiert und säuft mit den Zwergen, während woanders ein Pogrom ausbricht.
Woanders ist manchmal ganz nah.
ISBN 978-3-423-24817-4: "Die Dame vom See", der letzte Band der Witcher-Saga von Andrzej Sapkowski
mit 638 Seiten mehr Buchstaben fürs Geld
Zum Epilog treffen sich drei Flüchtlinge um ein Feuer... Brenna, die Schlacht, der Sturm, hat selbst große Bäume entwurzelt - mehr wird nicht verraten.
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