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Interview mit Erik Simon - Teil 1

Interview mit Erik Simon, dem Übersetzer der Witcher-Bücher - Teil 1
veröffentlicht am 11.09.2008

Teil 1 - Teil 2 - Teil 3

Die Veröffentlichung der Enhanced-Version steht unmittelbar bevor. Um die Wartezeit zu verkürzen, laden wir Euch ein, mein Interview mit Erik Simon zu lesen. Die Fans des Spiels und der Bücher werden doch sicher gern mehr über den Übersetzer der genialen Bücher wissen wollen. Im Forum könnt Ihr gern weitere Fragen stellen, die ich an Erik Simon weiterleiten werde.

Sehr geehrter Herr Simon,

vielen Dank, dass Sie unseren Lesern im Forum die Möglichkeit geben, sich mit dem Übersetzer der Bücher von A. Sapkowski zu unterhalten und Fragen loszuwerden. Mich haben die Übersetzungen neugierig gemacht und ich hab mir ein paar Bücher besorgt. Und ich freu mich, dass ich einen sehr originellen Schriftsteller kennenlernen konnte.

Zunächst möchte ich Sie vorstellen. Sie arbeiten ja nicht nur als Übersetzer aus dem Polnischen, Sie übersetzen auch aus dem Russischen und Englischen und Sie sind auch Herausgeber und Schriftsteller. Sie haben mit der Anthologie Lichtjahr und einem Lexikon zur Geschichte der DDR-SciFi auch internationale Anerkennung gefunden. In vielen renommierten internationalen Zeitschriften haben Sie mitgearbeitet und Ihr Name ist in Fachkreisen bekannt und geachtet. Außerdem gelten sie als Spezialist für die Werke der genialen Brüder Strugatzki und von Stanislaw Lem.

Schönen Dank für das Lob. Das Lichtjahr war ein Almanach, also eine Anthologie, die sowohl in- und ausländische Stories als auch Artikel über SF und Phantastik brachte. Gedacht war das als eine Art Ersatz für eine SF-Zeitschrift, die in der DDR aus politischen und aus wirtschaftlichen Gründen (Papiermangel) nicht möglich war. Klar, dass die Fans davon begeistert waren, vor allem aber, weil sie eben sonst weit und breit nichts dergleich kriegen konnten.
Ich hätte noch eine Bitte: Lassen Sie uns von Science Fiction oder SF reden. Asimov, Bradbury, Clarke, Lem und die Strugatzkis, Frank Herbert und Philip K. Dick – sie alle haben SF geschrieben. Wer seinerzeit „SciFi“ sagte, signalisierte damit, dass es vom Genre keine Ahnung hatte, „SciFi“ waren so Bücher und Filme, in denen der Held seine Freundin und nebenbei die übrige Erde vor dem Angriff schleimiger Marsmonster rettet. „SciFi“ als übliche Abkürzung für die gesamte SF ist erst vor ungefähr zwanzig Jahren aufgebracht worden, vermutlich von Journalisten, die auch keine Ahnung hatten.

Sie haben auch selbst Geschichten geschrieben, offenbar liegt Ihre eigene Erzählerzeit etwas zurück? Wie kommts?

Ich habe ungefähr hundert Erzählungen geschrieben, aber verteilt über einen Zeitraum von reichlich dreißig Jahren, also pro Jahr im Durchschnitt nur ungefähr drei. Seit 2005 hatte ich viel mit eigenen Übersetzungen und mit der Redaktion fremder Übersetzungen zu tun und zum Schreiben fast keine Zeit. Ich denke aber, das wird nur eine vorübergehende Pause sein, wie es sie auch früher schon gegeben hat.

Sie haben einige Male den renommierten Kurd-Laßwitz-Preis für deutschsprachige SF bekommen, auch als Herausgeber. Sie wurden 2003 für die Erzählungen „Sternbilder“ ausgezeichnet. Machen Sie auf dem Gebiet weiter?

Ja, wenn und falls ich wieder Zeit habe – siehe oben. Noch in diesem Jahrtausend soll Band 4 meiner Gesammelten Erzählungen erscheinen; er wäre eigentlich längst fertig, wenn ich nicht aus thematischen Gründen dort (und nicht in einem späteren Band) zwei bestimmte Geschichten haben wollte, die ich noch schreiben muss. – Den Preis 2003 gab es aber nicht für meinen Sammelband Sternbilder, sondern für eine Erzählung darin, „Spiel beendet, sagte der Sumpf“. Ein paar Jahre zuvor hatte ich in einer russischen SF-Zeitschrift eine Liste von Ideen und Themen gefunden, die so abgegriffen sind, dass man sie möglichst nicht mehr verwenden sollte; ich habe mir einen Spaß daraus gemacht, in einer kurzen Geschichte sämtliche Themen von der Liste irgendwie einzubauen, und zwar so kombiniert, dass trotzdem etwas ziemlich Unerwartetes und Schräges dabei herauskam.

Was fasziniert Sie an der SF? Die Geschichten, die ich inzwischen kennenlernte, befassen sich mit sehr ungewöhnlichen Arten der Begegnung unterschiedlicher Zivilisationen. Beschäftigt sie das? Es gibt bei Ihnen keine Gesellschaftentwürfe fremder Zivilisatoren (ich hab jedenfalls keine gelesen), es sind immer eher isolierte Begegnungen. Und sie sind immer skurril. Einmal enden sie unter dem Wischlappen der Hausfrau und ein anderes Mal verzweifeln die Fremden ob der primitiven Lebensart der Bewohner unseres Planeten.

Sie haben recht: Umfangreiche Gesellschaftsentwürfe fremder Zivilisationen kommen bei mir nicht vor, übrigens ebenso wenig ausführliche utopische oder dystopische Modelle für die irdische Zukunft. Auch auf die Beschreibung und Charakterzeichnung der handelnden Personen verwende ich meistens nicht viel Raum, das alles versuche ich mit ein paar Strichen so zu skizzieren, dass der Leser die Umwelt und die Typen erkennt und aus seiner eigenen Erfahrung heraus vervollständigt. Denn am meisten interessieren mich nicht meine Helden selbst, sondern die ungewöhnlichen Situationen, in denen sie sich befinden, mitunter auch nur eine unerwartete Sichtweise auf Vorgänge und Zustände, die der Leser aus seiner eigenen Erfahrung oder aus der Literatur schon kennt. Deswegen schreibe ich auch keine Romane, sondern Erzählungen und Kurzgeschichten. Neuerdings stoße ich mitunter auf Leser, die dieses ergänzende Mitdenken nicht mehr gewöhnt sind, weil sie in den Filmen und in den Tausend-Seiten-Romanen ja alles haarklein vorgeführt bekommen; die haben dann manchmal Schwierigkeiten mit meinen Texten. Aber es braucht ja auch nicht jedem alles zu gefallen.

Mir scheint, dass Sie an der Phantastik besonders reizt, dass man auch völlig absurde Geschichten erzählen kann. Die Tragik der Geschichte der unschuldig Verurteilten hat mich wirklich amüsiert. Klang sehr nach dem vertrauten Amtsschimmel. Wär schön, wenn sich das auch mal im wirklichen Leben so rächen würde. Schneewittchen und Rotkäppchen sind in ihrer Lesart eher haarsträubend. Und ihre Geschichte vom Schuttabladeplatz grenzt ironischerweise schon an die Realität.

Ja.

Wie ich feststellen konnte, bevorzugen Sie die kurze Form, die Sie „Miniaturen“ nennen. Sie schreiben aber auch Gedichte und Märchen. Wie sind Sie zur phantastischen Literatur gekommen?

Als Leser von Science Fiction in meiner Kindheit. Zunächst waren das natürlich die üblichen Weltraumabenteuer, Romane also, alles ziemlich heldenhaft, und bis etwa Anfang der sechziger Jahre war in der DDR-SF auch die Technik noch ungeheuer wichtig – da wurde beispielsweise das halbe Buch lang erst einmal erzählt, wie sie das Raumschiff bauen, die amerikanischen Spione und Saboteure wegfangen, starten, unterwegs mal eine Havarie haben usw., und erst gegen Ende trafen sie dann auf Außerirdische oder wenigstens auf Spuren von ihnen. Nach und nach habe ich dann gemerkt, dass es in der Science Fiction auch viel, viel originellere und raffiniertere Geschichten gibt, vor allem im anglo-amerikanischen und im russischen Bereich. Russisch habe ich ja in der Schule gelernt, aber auf dem elenden Niveau, wie es in der DDR die Regel war; es wurde erst viel besser, als ich begann, russische SF-Bücher zu lesen, die man in der DDR ziemlich leicht bekommen konnte, darunter auch viele Übersetzungen von internationaler SF – in der Sowjetunion wurde davon ziemlich viel gedruckt, weil die erst um 1973 dem Welturheberrechtsabkommen beitrat und auch danach noch für Bücher, die im Original vorher erschienen waren, den Westautoren nichts zu bezahlen brauchte.

Ihr Arbeitsgebiet und Ihre Leidenschaft ist ja offensichtlich phantastische Literatur mit einem deutlichen Schwerpunkt zur SF. Aber die Arbeit in einem Fantasy-Universum mittelalterlicher Prägung war Ihnen nicht fremd?

Ich habe erst ziemlich spät begonnen, mich für diese Art von Fantasy zu interessieren, schon allein deswegen, weil wir sowas in der DDR gar nicht hatten. Tolkiens Ring-Trilogie beispielsweise habe ich erst in den achtziger Jahren in der alten, grünen Ausgabe von Klett-Cotta in einem Antiquariat in Budapest gekauft und dann in die DDR geschmuggelt. Für Geschichte habe ich mich aber schon immer sehr interessiert, auch gern alle möglichen historischen Romane gelesen.

In Ihren Erzählungen, Märchen und Gedichten ist eine deutliche satirische und ironische Ader herauszulesen. Ich konnte mich davon überzeugen, dass sie gern Geschichten umdeuten und ihnen einen neuen Sinn geben, vorhandene berühmte Geschichten in neue Zusammenhänge stellen und sich selbst entlarven lassen. Hat Sie das an den Werken von Sapkowski interessiert? Er macht das ja auch mit dem oftmals deutlichen Bezug zu bekannten Märchen in seinen Geschichten.

Ja, besonders deutlich merkt man das in den beiden ersten Bänden, die ja im Grunde ein Erzählungszyklus sind; da ist die Anspielung auf bekannte Märchen in manchen Erzählungen ganz zentral, weil auch bei Andrzej Sapkowski der Leser einen Teil der Arbeit übernimmt, indem er aus der Kenntnis der Vorlage Einzelheiten mitdenkt, die der Autor gar nicht ausdrücklich darzustellen braucht. Der Witz ist dann allemal, dass die Geschichte in einem entscheidenden Punkt vom Vorbild abweicht oder darüber hinausgeht. In den übrigen fünf Bänden kommen solche Anspielungen auch noch vor, stehen aber weniger im Mittelpunkt, und mitunter sind sie auch raffiniert versteckt – beispielweise, wenn im Band „Feuertaufe“ (den ich gerade übersetzt habe) ein betrunkener Gnom erzählt, wie er einen wertvollen Kelch aus einem riesigen Milchopal gefunden und gegen ein Maultier vertauscht hat, wobei die Beschreibung des Kelches genau auf den Heiligen Gral zutrifft, was der Gnom in seiner Fantasywelt natürlich nicht wissen kann.
Noch viel wichtiger finde ich aber, wie Sapkowski immer wieder auf die reale Geschichte unserer Welt anspielt, wie er das wirkliche, dreckige, chaotische, kleinkarierte Mittelalter ins Spiel bringt, aber auch die Machtpolitik von der Renaissance bis in die jüngere Vergangenheit, wenn etwa die Elfen bei ihm nicht nur wie bei Tolkien langlebig, schön & edel sind, sondern gleichzeitig auch arme Schweine, die von den Menschen an den Rand gedrängt wurden und jetzt entweder wie die Indianer in der Einöde beinahe verhungern oder aber einen terroristischen „Befreiungskampf“ gegen die Menschen führen, wie wir ihn in der Realität bei verschiedenen Völkern erlebt haben und erleben. Der Realismus, der auf diese Weise in die Geschichte kommt, ist Sapkowskis größte Stärke; er hat ja auch eine Romantrilogie geschrieben, die phantastische Elemente enthält, aber in der realen Geschichte Mitteleuropas zur Zeit der Hussitenkriege spielt.

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