REVIEW: The Witcher 2: Assassins of Kings


Schließen wir uns Vernon Roche an? Anführer einer temerischen Sondereinheit mit besonderen Befugnissen. Skrupellos im Durchsetzen seiner Ziele, die diejenigen Temeriens sind.

Oder halten wir es mit Iorweth? Der Anführer eines Scoia'tael-Kommandos in den unwegsamen Wäldern ist listig, gerissen und erbarmungslos in seinem Kampf gegen die Menschen. Je nachdem, wen von den beiden wir unterstützen, laufen große Teile des zweiten Kapitels ganz anders ab.
Spieler, die vor allem auf gute Geschichten und spannende Inszenierung Wert legen, werden mit The Witcher 2 sicher glücklich werden. Dialoge sind wichtig und sollten nicht weggeklickt werden, Charaktere haben etwas Relevantes zu sagen und sind nicht nur Quellen von üblichen Rollenspiel-Plattitüden. Ein wenig ist The Witcher 2 wie ein interaktiver Film: Ein gut inszeniertes Spiel, bei dem die Handlung immer im Vordergrund steht. Das führt auch dazu, dass immer wieder Cutscenes im Spielverlauf eingebaut sind. Nämlich immer dann, wenn bestimmte Quests erfüllt wurden. In diesen Augenblicken wird deutlich, dass sich der Spieler entlang einer geplanten Handlung bewegt, die bestimmte universelle Punkte besitzt, die fest sind. Doch durch die glaubhafte Einbettung stellen die Cutscenes kein Manko dar, im Gegenteil, sie runden das Spiel ab und signalisieren, dass in diesem Augenblick eine wichtige Etappe erreicht wurde oder der Spieler auf einen Höhepunkt der Geschichte zusteuert.

Nicht so glücklich dürften Freunde des ungetrübten Open-World-Vergnügens werden. Die Areale der einzelnen Akte sind zwar weitläufig aber eben nicht riesig. Freies Erkunden funktioniert nur in Maßen, viele Orte machen erst Sinn, wenn die zugehörigen Quests aktiviert wurden. Vorher sehen sie einfach nur schön aus. Es macht natürlich trotzdem Spaß, sie zu entdecken und zu bestaunen, wie liebevoll jeder Winkel der Spielwelt gestaltet wurde. Trotzdem steht fast immer die Geschichte, die erzählt wird, im Vordergrund. Und die sehr detailreich gestalteten Levelareale sind die Bühne dafür.



Die vier Arme des Fertigkeitenbaums. Oben allgemeine Fähigkeiten, rechts Schwertkampf, links Magie und unten Alchemie.

Die Schwertkampf-Fähigkeiten.
„Schließlich brach der siebte Tag an. Der Knabe erwachte wie aus einem Schlaf und öffnete die Augen. Seine Augen jedoch waren wie die einer Schlange.“

Soweit Carla Demetia Crest, Augenzeugin der Kräuterprobe und anderer Praktiken zur Erschaffung eines Hexers. Mit dem fest vorgegebenen Helden, dem Hexer Geralt von Riva, der für die Geschichte und wie so erzählt wird, so wichtig ist, steht und fällt auch das Charaktersystem. Und das fällt eher im Vergleich mit anderen Rollenspielen. Nicht nur, dass es nicht möglich ist, zwischen typischen Klassen zu wählen, wie sie sich in vielen Rollenspielen seit Jahrzehnten etabliert haben – ein reiner Magier-Charakter dürfte unmöglich zu spielen sein und ein Dieb als Klasse kommt zum Beispiel mangels Fähigkeiten gar nicht vor – Geralt ist auch schon zu Beginn des Spiels ein erfahrener Kämpfer, der virtuos mit seinen beiden Schwertern umgehen kann und die schon aus Teil 1 bekannten Zeichen (sozusagen die magischen Sprüche der Witcherwelt) beherrscht. Die Alternative wäre gewesen, ihm mit einer Amnesie oder sonstigen Storywendungen zu einem Fähigkeiten-Reboot zu verhelfen. Ein Weg, den zum Beispiel Piranha Bytes (Gothic, Risen) oder Reality Pump (Two Worlds) einige Male gegangen ist und der bei zu häufiger Benutzung ein Glaubwürdigkeitsproblem birgt. Zumal schon Teil eins der Witcher-Reihe mit einem völlig fähigkeitenlosen Hexer begann. Was bleibt also noch zu lernen übrig, um den eigenen Charakter zu verbessern und auch gegen immer stärkere Monster bestehen zu lassen? Vor allem Erweiterungen und Verbesserungen der schon beherrschten Fähigkeiten. Geralt kann sich dazu in vier verschiedenen Talentbäumen weiterentwickeln. Einen allgemeinen, der Fähigkeiten wie Messerwerfen oder das Abwehren von Pfeilen mit dem Schwert beinhaltet (und in den erst sechs Talentpunkte investiert werden müssen, ehe die anderen drei Arme freigeschaltet werden), einen Schwertkampf-Fähigkeitenarm, bei dem sich alles um die Beherrschung seiner Hauptwaffen dreht: Verbesserungen bei Gruppenkämpfen, verbessertes Parieren, verbesserte Abwehr gegen Angriffe von Hinten, Finten, Paraden, Konterattacken. Dann folgt ein dritter Arm, der allerlei Fähigkeiten rund um die Alchemie-Talente unseres Geralt zusammenfasst. Mehr Ausbeute beim Kräutersammeln, verbesserter Bombenbau, höhere Effekte durch Mutagene, Vorteile in vergiftetem Zustand und anderes mehr steht hier auf der Agenda. Und schließlich ein vierter Zweig, in dem sich allerlei Verbesserungen der Magietalente finden. Verstärkung der Wirkungsdauer oder des Schadens, der verschiedenen Zeichen und ein neues, sechstes, Zeichen: Heliotrop. Das schaltet im Spiel die Fähigkeit frei, Adenalin auch beim Wirken von Zeichen zu produzieren. Parallel dazu kann diese Fähigkeit auch im Schwertkampfskill-Menü freigeschaltet werden. Mit den dann neuen Adrenalinbalken, der sich in Kämpfen füllt, ist der Hexer in der Lage, sobald sich dieser durch andauernde Kämpfe gefüllt hat, besonders spektakuläre Finishing-Moves durchzuführen. Diese Abschlusshiebe werden durch Drücken der Taste X ausgelöst, die freigeschaltet wird, sobald der Adrenalinbalken gefüllt ist. Die Bewegungen selbst laufen dann automatisch je nach Situation ab und beinhalten besonders spektakuläre oder ausgefeilte Schwertstreiche, um Gegner möglichst effektvoll zu erledigen. Und mit effektvoll ist hier teilweise auch besonders blutig gemeint.

Die Welt des Hexers:

Die mittlerweile noch übrig gebliebenen vier bedeutenderen Königreiche stehen in einem brüchigen Bündnis gegen das große Imperium von Nilfgaard, das sich von Süden kommend viele ehemals unabhängige Länder durch Krieg und Eroberung einverleibt hat. In einigen verheerenden Schlachten bei den Orten Sodden und Brenna haben die verbündeten nördlichen Königreiche die übermächtigen Armeen Nilfgaards zurückgeschlagen und bislang die Unabhängigkeit der vier Reiche Redanien, Temerien, Kaedwen und Aedirn gesichert. Doch kaum herrscht einige Jahre Frieden, schon gehen die Königreiche verdeckt oder offen gegeneinander vor. Jeder will einen Vorteil über die anderen erlangen. Die Bedrohung durch Nilfgaard scheint vergessen. Zusätzlich kompliziert wird die Lage, weil von Alters her jeder König einen Zauberer oder eine Zauberin an seinem Hof unterhält, die als Berater dienen, jedoch oftmals im Hintergrund ihre eigenen Ziele mittels Intrigen und Magie verfolgen. Die Macht dieser Zauberer, der Loge, wurde vor einigen Jahren gebrochen, doch trachten die Zauberinnen seitdem danach, ihre alten Machtpositionen erneut einzunehmen.
(Fortsetzung auf der nächsten Seite)

Hier bitte kurbeln (per Mausklick).

Hier bitte klettern (per Mausklick).
Und wo wir grad beim Drücken bestimmter Tasten sind: Das Auslösen der Finishing-Moves ist nicht das Einzige, was an Konsolen erinnert. Auch in anderen Bereichen wirkt die Steuerung ein wenig konsolig. So ist Geralt nun endlich in der Lage, die dritte Dimension zu entdecken: Er kann anders als im ersten Teil, wo schon kniehohe Zäune sein Weiterkommen jämmerlich scheitern ließen, klettern. Wer denkt, dass es nun kein Halten mehr gäbe und unser Geralt zum neuen Reinhold Messner wird, irrt sich allerdings. Klettern ist nämlich nur an bestimmten Punkten möglich und dort wird dann jedes Mal ein Symbol eingeblendet, mit dessen Hilfe darauf hingewiesen wird, hier doch bitte die linke Maustaste zu drücken. Danach hievt sich unser Hexer flüssig animiert über den eigens dafür gebauten Felsvorsprung und folgt danach weiter seinem Weg. Ähnliches passiert bei verschiedenen anderen Gelegenheiten: Fackeln und Lagerfeuer kann Geralt mit einer Handbewegung zum Verlöschen bringen (oder auch wieder entzünden). Auch dort wird jedes Mal ein Symbol angezeigt, welches ebenfalls auf die zu drückende Maustaste hinweist. Das Verlöschen von Fackeln ist hilfreich bei Schleichpassagen, in denen Geralt nach Möglichkeit nicht gesehen werden will. In einigen Quests dient es auch dazu, Wachen anzulocken, die die Fackeln wieder anzünden wollen. Und dann erscheint wieder ein Symbol am unteren Bildschirmrand, das den Spieler darauf hinweist, dass er mit dem Druck auf eine Maustaste die Wache k. O. schlagen kann, sofern er sich leise von hinten angeschlichen hat. Noch mehr konsolentypische Einblendungen gefällig? Hin und wieder gilt es, Objekte in der Spielwelt zu bewegen. Sei es, ein Wurfgeschütz, eine Ballista, zu spannen und abzufeuern oder eine Winde zu betätigen, in jedem Fall wird die richtige Bedienungsmöglichkeit – nämlich die korrekte Taste – dafür eingeblendet. Das reißt den Spieler jedes Mal unnötigerweise aus dem Spielfluss heraus. Alleine die Einblendung der zu drückenden Tasten ist unschön. Hinzu kommt besonders bei den Kletterpartien, dass sich Geralt erst am Felsvorsprung ausrichtet und dann – zwar sehr geschmeidig animiert – daran hochzieht. Das unterbricht den Spielfluss, denn plötzlich geht es für einige Augenblicke nur ganz langsam voran und das Spiel zwingt den Spieler dazu, eine bestimmte Taste zu drücken, ehe es weiter geht.

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