REVIEW: The Witcher 2: Assassins of Kings


Minispiele

Boxen als Reaktionstest. Wer immer rechtzeitig die kurz eingeblendete Taste drückt, gewinnt.

Armdrücken. Mit der Maus das Symbol auf dem farbigen Bereich des Balkens halten. Der Bereich wird mit steigendem Schwierigkeitsgrad der Gegner schmaler.

Würfelpoker. Einsatz zahlen, mit einem Mausschwung würfeln und hoffen. Aufpassen, dass die Würfel nicht über den Rand des Spielbrettes fliegen!
Überhaupt: die Grafik! Ein vergleichbar schönes Rollenspiel sucht man wohl derzeit vergebens. Während in Dragon Age II die Hauptfiguren bemerkenswert gut erstellt und animiert wurden, während die Umgebungsgrafik schrecklich generisch und leblos wirkt (noch dazu wird schamlosestes Levelrecycling betrieben) und das immerhin 4 1/2 Jahre alte Gothic 3 in der Natürlichkeit seiner Weltengestaltung glänzt (vor allem, was die detailliert erstellten Waldgebiete des mittleren Teils Myrtana angeht), jedoch bei den glänzenden „Plastikgesichtern“ seiner Bewohner versagt, so bietet The Witcher 2 alles: Tolle und recht weitläufige Levelumgebungen und großartig modellierte Bewohner.

Schon im Prolog wird man mit einem riesigen sich auf Hügelketten hinziehenden Heerlager, einer ganzen Batterie von überdimensionalen Bliden, die regelmäßig ihre Last in Form von Steinkugeln gen feindliche Burg abladen und einem riesigen Belagerungsturm konfrontiert. Man darf die Architektur, die Levelgestaltung, die Natur ruhig als zweiten Hauptdarsteller ansehen. CD Projekt RED fährt hier wahrlich schwere Geschütze auf, was die Gestaltung der Umgebungen angeht. Von der eben kurz angedeuteten Belagerung einer riesigen, himmelhoch aufragenden und wuchtig die Landschaft beherrschenden Burg geht es weiter in einen urwüchsigen Wald, wie man sich europäischen Urwald vor 1000 bis 2000 Jahren vorstellt, als Römer durch Germanien marschierten oder Bauerntrecks auf der Suche nach Rodeland über Wochen unberührte Waldgebiete durchquerten, die die Völker einst voneinander trennten. Mittendrin im rauschenden Wald ein schmutziges Städtchen, eher ein ummauerter Handelsposten aus Felsstein und Fachwerk. So urig, dass jeder Pixel Atmosphäre ausströmt. Der Wald mit seinen bemoosten Baumriesen, an dessen Stämmen Baumpilze entlang wachsen und durch dessen Zweige nur hier und da das Sonnenlicht durchdringt, voller geheimnisvoller Elfenruinen, die auf die alte und längst vergessene Geschichte der Spielwelt hinweist, voller Monster, die überdeutlich sagen „Mensch, das ist nicht dein Territorium!“ Die Stadt voller geschäftiger NPC, die einen Mutanten wie den Hexer mit Ablehnung oder zumindest Vorsicht begegnen und voller Kneipen, Läden und Lager.

Auch der nächste Spielabschnitt beeindruckt durch seine Gestaltung. Eine kahle, nur mit niedrigem Gebüsch bestandene, offene Heide, doch durchfurcht von tiefen Gräben, hervorgerufen durch mächtige Magie. Felsklippen, dramatisch aufgetürmt und mit labyrinthisch verzweigten Gängen und Canyons, an deren Ende meist eine unerfreuliche Überraschung wartet. Nichts ist, wie es scheint, ein gerader Weg bringt uns in ganz andere Gegenden als geplant. Ein einfacher Quest zwingt uns Entscheidungen auf, die wir nicht treffen wollen. Und eine durch Magie wiedererweckte Schlacht bringt uns Tod und Verderben. Hier in dieser mystisch-magisch aufgeladenen Umgebung voller Gefahren und Monster wendet sich die Geschichte erneut.


„Wessen ist dieses verlöschende Feuerchen?“, fragte der Hexer.
„Deins“, erwiderte der Tod.


Übrigens erleben wir dieses Kapitel völlig anders. Je nachdem, wie wir uns im ersten Kapitel entschieden haben: Denn dies ist Teil des dritten Handlungsstranges, der den Hintergrund der gesamten Handlung bildet. Auch wenn die Jagd nach dem Königsmörder Geralts vorrangiges Ziel ist, so dreht sich doch nicht die ganze Welt um ihn, sondern folgt ihren eigenen Regeln. Königreiche vergehen, Schlachten werden ausgetragen, Intrigen werden gesponnen, Fraktionen und Parteien bilden sich oder erscheinen auf der Bühne, wenn sie aus dem Dunkel des Verborgenen treten. Geralt ist nur ein Spielball anderer Mächte, die größer sind, als er. Wo in anderen Rollenspielen schnell irgendwelche Götter und ihre mehr oder weniger seltsamen Vorgaben das Schicksal des Helden bestimmen, sind es hier ganz profane Menschen, die mit ihrer Politik den Teppich weben, auf dem der Hexer läuft, strauchelt oder gar ausrutscht.

Geralt in voller Aktion.

Auch in The Witcher 2 lassen sich wieder Aufträge an Anschlagtafeln finden.
Sich aus dem Geflecht der unterschiedlichen Einflüsse zu lösen, nicht Spielball einer Gruppe zu sein, sondern nur dem eigenen Weg zu folgen, ist Geralts Ziel. Ihn, den es schon in der Romanreihe nie danach gelüstete, Teil der Verwicklungen zwischen den einzelnen Parteien und Königreichen, Zauberern und Kriegern, Menschen oder Anderlingen zu sein, gelingt dies auch in The Witcher 2 aufgrund der Umstände nur schwer. Vieles wird erst im Laufe der Story enthüllt. Auch das macht gerade ihre Spannung aus. Mit jedem neuen Schritt in der Handlung, mit jedem neuen erledigten quest kann sich die Lage schon wieder ganz anders darstellen. Zusätzlich machen die Entscheidungen dem an Schlauchlevel und inszenierte Events gewöhnten Spieler das Leben schwer: Hier muß man wirklich darüber nachdenken, welche Wahl man trifft, denn sie hat immer Konsequenzen. Manchmal geringe, manchmal sehr starke. Rette ich die Zauberin und Geliebte Triss Merigold oder kümmere ich mich lieber um die Sicherheit der temerischen Thronfolgerin? Falls ich mich für Triss entscheide. Was wird dann aus einem ganzen Königreich? Entscheide ich mich für Temerien, werde ich dann Triss jemals wiedersehen? Helfe ich den Elfenrebellen gegen die Menschen oder ergreife ich Partei für die Menschen? Töte ich einen Troll oder helfe ich ihm? Wer sind die wahren Monster? Sind es nicht manchmal die Menschen selbst? Nicht immer ist es so einfach, wie die Zweiteilung der Waffen eines Hexers vorgaukeln mag: Silberschwert gegen Monster, Stahlschwert gegen Menschen. Doch genau das ist es, was das Spiel so packend macht, hier wird nichts vorgekaut, keine fertigen Lösungen, keine Storyschläuche, in denen sich von Scriptsequenz zu Scriptsequenz gehangelt wird. Hier ist alles packend inszeniert, fordert den Spieler, läßt ihm die Wahl. Das ist spannend, das reißt den Spieler mit, das lässt keine Langeweile aufkommen. Zumal sich in der Inszenierung auch keine größeren Lücken auftun, keine Hänger in der Story, die mit Leerlauf oder stupider Sammel-Questerei mit langen Laufwegen gefüllt werden müssen (wie es mach anderes Rollenspiel schon versuchte), denn die Geschichte ist dicht erzählt.

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