REVIEW: The Witcher 2: Assassins of Kings



Das Inventar. Aufgeräumt und doch ein wenig fummlig.
Leider wird die Anwendung all dieser tollen Möglichkeiten, die aus dem nach den üblichen Genrestandards gemessenen für Rollenspiele eher belanglosen, weil doch sehr eingeschränkten Fertigkeitenbaum herausgepresst werden, durch ein leicht fummliges Inventar und umständliche Menüführung erschwert. Die schnörkellose Darstellung, die auf den üblichen Holz-, Metall- und Rankenwerk-Kitsch, auf Totenköpfe und Waffenapplikationen verzichtet und ganz ohne irgendwelche Verzierungen auskommt, wirkt angenehm aufgeräumt und modern-nüchtern. Doch auch hier entfaltet wieder der Fluch der Konsolen seine Wirkung. Was auf dem Gamepad mit seinen eingeschränkten Bedienmöglichkeiten als ausgereifte Steuerung gilt, ist für Maus und Tastatur gewöhnte Spieler ein Ärgernis. Sich durch das Charaktermenü zu klicken, bis man endlich bei dem Zweig des Fertigkeitenbaums angekommen ist, in dem man den nächsten Talentpunkt versenken möchte, dauert einfach einen Mausklick zu lange. Dasjenige Teil im Inventar auf Anhieb zu erwischen, das man verkaufen möchte (nein, nicht die gute Rüstung, die groß aufploppt, weil man einen Pixel zu weit nach unten mit dem Mauszeiger gelandet ist, sondern die löchrigen Handschuhe!) dauert eine nervige Mauskorrektur zu lange. Suboptimal auch, dass längere Namen von Gegenständen nicht vollständig angezeigt werden, da unabhängig von der Auflösung nicht genug Platz vorhanden ist, um sie auszuschreiben.



In diesen Flash-Grafik-Sequenzen werden die Erinnerungen Geralts erzählt. Immer wieder im Laufe der Handlung kehren seine Erinnerungen bruckstückhaft wieder.
„Unweit von jener Aue, dem Ort der erbitterten Schlacht, in der beinahe die ganze Macht des Nordens auf nahezu sämtliche Kräfte des Nilfgaarder Aggressors traf, lagen zwei Fischerdörfer: Altenpupen und Brenna.“

Mit diesem Zitat des Chronisten Jarre dem Älteren von Ellander wollen wir die Betrachtungen zu Kämpfen, Tränken und Bomben beenden. Was einem wichtiger ist: Eher das Kampfgeschehen und seine Steuerung oder lieber die Handlung zu entdecken, ist natürlich Ermessenssache, je nachdem, welcher Spielertyp man ist. Für Spieler, denen bei Rollenspielen die Geschichte am wichtigsten ist, kommt der Witcher gerade recht. Die Handlung, die im Prolog mit seinen eher linearen Leveln zum ersten Paukenschlag führt, hält auch in den weiteren Kapiteln noch jede Menge Überraschungen, schwierige Entscheidungen und schmerzliche Enthüllungen bereit. Worum geht es? Auf persönlicher Ebene ist Geralt auf der Suche nach seinen Erinnerungen. Teil eins der Saga begann damit, dass unser Hexer von seinen Kollegen ohne Gedächtnis im Wald aufgelesen und zur Burg Kaer Morhen gebracht wird, wo er nach und nach die typischen Hexer-Fähigkeiten wieder erlernt. Das Geheimnis um den mysteriösen Spielbeginn wurde in The Witcher 1 nicht gelöst. In Teil 2 spielt es jedoch eine zentrale Rolle. Denn bruchstückhaft über das ganze Spiel verteilt erinnert sich Geralt in Flashbacks an die Vergangenheit. Und wenn man sich in Teil 1 noch gefragt hat, was das immer wiederkehrende Auftauchen der Wilden Jagd mit der Geschichte zu tun hat, wird man nun in The Witcher 2 ein wenig darüber aufgeklärt. Allerdings erfolgt das nur in einer Art animierten Flash-Cartoon-Sequenzen. Die sehen zwar

Das Spiel beginnt mit der Belagerung einer eindrucksvoll in Szene gesetzten Burg. Geralt ist von Anfang an mitten drin in politischen Ränken und Intrigen.
auf ihre Art eindrucksvoll aus, stehen aber schon aufgrund ihrer Machart in starkem Kontrast zur wunderschönen Spielgrafik. Sicher wollte man genau diesen Kontrast erzeugen, schließlich handelt es sich um Gedankenfetzen und Erinnerungsbruchstücke Geralts und nicht um aktuelle Ereignisse. Doch wäre das zum Beispiel auch mit in schwarz-weiß gehaltenen Szenen in Spielgrafik möglich gewesen.

Ein zweiter Handlungsstrang, der verflochten ist mit der eigentlichen Handlung, beschäftigt sich vor allem mit den politischen Hintergründen. Er dient in der Hauptsache der Unterfütterung der Geschichte mit genretypischem Lore, lässt Personen deutlicher hervorscheinen, erläutert ihre Motive und bettet überhaupt die eigentliche Spielhandlung perfekt in die Welt des Witchers mit ihren Fraktionen, Parteien, Königreichen, Verbündeten und Feinden, mit der ganzen Entwicklung dieser Gruppen zum im Spiel dargestellten Status quo ein. Gerade für das tiefere Verständnis dieser „Metahandlung“ ist es von Nutzen, die Romane um den Hexer Geralt gelesen zu haben, denn dadurch wird dem Spieler das eine oder andere Aha-Erlebnis beschert. Ohne dies zu kennen, ist es auch möglich, der Handlung zu folgen, aber einige Zusammenhänge bleiben dann unentdeckt. Auch diverse auftretende Personen sind schon in den Romanen beschrieben worden, allen voran die Magierin Philippa Eilhart. Aber auch Henselt von Kaedwen oder sogar Sabrina Glevissig tauchen in den Hexer-Geschichten auf. Von den Hauptpersonen Geralt, Triss, Rittersporn und Zoltan gar nicht zu reden. Ohne die Kenntnis der Romane oder aber des Vorgängers The Witcher fehlt dem Spieler natürlich der reichhaltige Hintergrund dieser Figuren. The Witcher 2: Assassins of Kings macht sich nicht übermäßig viel Mühe dabei, diese Figuren einzuführen und zu erklären. Wie sie ticken, was sie wollen und was nicht, erfährt der von Büchern oder dem ersten Witcher-Spiel unvorbelastete Spieler erst im Laufe der Handlung.

Ein weiterer Antagonismus. Zoltan Chivay, grundsolider und realistisch eingestellter Zwerg, Freund des Hexers und vom Pech verfolgt. Zuletzt platzte seine geplante Hochzeit.

Dagegen Geralts alter Freund Rittersporn, als ausgemachter Luftikus ist der Barde immer vollkommen optimistisch. Trotzdem nimmt für ihn jede Geschichte letztendlich eine positive Wendung.
Dass Geralt dabei mit Rittersporn und Zoltan von der ersten Begegnung an ganz vertraut umgeht, mag etwas verwirren. Hier wird der Spieler mitten rein geschmissen. Natürlich bietet das auch einen ganz eigenen Reiz, ist man doch gezwungen, sich selbst alle nötigen Infos zu besorgen und hört so vielleicht genauer auf all die schön vertonten Dialoge.

Der dritte und wichtigste Handlungsstrang ist die eigentliche Spielhandlung und dreht sich darum, den wahren Schuldigen für eine Tat zu finden, derer man selbst angeklagt ist. Diese Handlung breitet sich über die drei Akte bis zum storytechnischen Höhepunkt im Epilog aus. Spuren wird nachgegangen, falsche Fährten werden gelegt. Feinde werden zu Verbündeten und Verbündete zu Feinden. Mit jedem neuen Schritt innerhalb der Hauptquests enthüllt sich ein weiteres Puzzleteil, das dabei hilft, ganz am Ende alles zusammenzusetzen und zu erkennen, welche Mächte hinter all dem standen, welche Ziele sie verfolgten und welche Rolle Geralt in all dem zugedacht war. Grob gesagt beschäftigt sich die Haupthandlung mit der Frage, welcher Einfluss auf die Politik Zauberern gestattet sein soll. All das findet in je einem Levelgebiet pro Akt statt, wobei jeder Akt grafisch völlig unterschiedlich und damit einzigartig gestaltet ist. Da wird nichts mehrfach verwendet, keine Höhle ist generisch und die Architektur ist immer individuell und wirkt gewachsen.

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